Ich stehe vor verschlossenen Toren. Ein Blick auf die Uhr bestätigt meine Vermutung: Ich bin einfach zu früh dran. Innerlich muss ich lachen. Wochentags im Büro passiert mit „zu früh“ nie. Aber heute ist nicht wochentags und ich stehe nicht vor verschlossenen Firmentüren.
Dann muss ich mich eben noch in Geduld üben, die Sonne genießen und sehnsuchtsvolle Blicke durch die Streben des Metalltors werfen. Ich bleibe nicht lange alleine. Ein amerikanisches Ehepaar ist ebenfalls früh dran, bleibt irritiert stehen, guckt mich fragend an.
„They open at 10 o’clock“, erkläre ich. Sie nicken. Wir stehen zu dritt und starren auf den kleinen Ausschnitt des Gartens, den wir schon erkennen können.
Die Minuten vergehen, fühlen sich an wie eine Ewigkeit, und endlich öffnet eine junge Frau lächelnd das Tor. Wir treten ein, doch dürfen wir immer noch nicht in den Garten. Es geht in den kleinen Verkaufsraum, Tagesticket kaufen. Die Dame erklärt umständlich – und auf deutsch – dass wir heute nur den reduzierten Preis zahlen müssen, da im Garten Umbauarbeiten stattfinden.
Das amerikanische Paar nickt, höflich, aber offensichtlich verständnislos. Ich springe ein, übersetze die Sachlage ins englische und darf auch endlich meine 4,50 € los werden. Schon halb auf dem Sprung nach draußen, werde ich wieder aufgehalten. Es gibt Führungen, um 11 und um 14 Uhr. Wenn ich teilnehmen will, soll ich einfach wieder hier vorbeischauen.
Ja gut, nicke ich und will endlich los!
Wenige Schritte und ich bin da. Das hölzerne rote Tor, der Weg darunter aus großen Steinplatten – es ist offensichtlich, wo ich bin: Im Japanischen Garten in Kaiserslautern. Ins echte Japan schaffe ich es gerade nicht, aber diesen perfekten Frühlingstag verbringe ich heute hier.
Eigentlich wollte ich erst eine Runde drehen und erst später die Kamera herausholen, aber ich kann nicht widerstehen. Also Rucksack ab, Kamera raus, Rucksack auf und los geht es mit der kleinen Fototour.
Langsam überquere ich die Steinplatten, steige ein paar Treppen hoch, fotografiere eine erste Buddha-Figur. Ein kurzer Blick nach links lässt mich ganz breit grinsen. Die Kirschblüte ist laut Kalender vorbei. Vielleicht liegt es am deutschen Klima oder am guten Karma, aber nur wenige Meter vor mir präsentieren sich wunderschöne rosa Blüten an einem großen Baum. Eine Pracht!
Ich spaziere hin, mache eine Aufnahme nach der anderen und muss mich zwischendurch wieder ermahnen: Nicht nur durch die Linse gucken, sondern auch den Moment genießen. Denn deswegen bin ich ebenfalls hier: Eine Auszeit, eine kleine Pause, ein Durchatmen.
Ich setze mich auf eine Steinbank und schaue zu den Blüten auf. Das Kopfkino spielt einen schönen Film: Ich könnte jetzt auch in Tokio in einem Park sitzen. Oder in Osaka. Ich könnte ein bisschen japanische Luft schnuppern, das wäre schön.
Das Kopfkino verstummt und mich zieht es weiter durch den Park. Vor mir liegt ein winziger See, ein kleiner Wasserfall plätschert vor sich hin. Herrlich idyllisch, wenn noch keine anderen Besucher da sind. Das amerikanische Paar habe ich längst aus den Augen verloren.
Ich gehe weiter, überquere das Wasser über runde Steine und stehe schon vor der nächsten Fotokulisse. Warum dieser Garten bei Hochzeitspaaren so beliebt ist, kann ich verstehen.
Eine rote Holzbrücke spannt sich über einen weiteren Wasserfall, der links davon einige Meter in die Tiefe stürzt. Wieder bleibe ich mit meiner Kamera stehen und kann kaum glauben, dass ich mitten in Kaiserslautern bin.
Auf der Brücke lehne mich für eine Weile an das Geländer. Weit unter mir sehe ich die Kois ihre Runden durch das Wasser drehen, rechts und links davon sind Bäume, Büsche und Wege perfekt zueinander angelegt.
Ich verstehe nichts von Feng Shui, aber es wirkt! Ich fühle mich wohl hier. Selbst der Straßenlärm, der entfernt zu mir herüber schallt, stört nicht wirklich.
Ich gehe weiter, folge einem Weg, laufe durch ein kleines Holztor, ein Stück runter, einen weiteren Hügel gleich wieder hoch. Es ist wunderschön. Rechts und links wachsen die unterschiedlichsten Pflanzen. Mal groß, mal klein, mal liegen Steinformationen dazwischen, mal sieht es aus wie ein großer Bonsaibaum. Immer wieder bleibe ich stehen, ermahne mich wirklich hinzusehen und zu genießen.
Alle paar Meter steht eine Bank aus Stein, auf fast jeder lege ich eine kurze Pause ein und genieße die Aussicht.
Viel zu schnell bin ich am Ende des Parks angekommen und stehe vor dem hübschen Teehaus. Leider kann man das nicht von innen besichtigen. Nur bei einer gebuchten Teezeremonie, das ist sicher spannend.
Doch mein vorläufiges Ziel ist gleich hinter dem flachen Bau: Das kleine Bistro mit vielen Tischen, Stühlen und Korbmöbeln, ausreichend Sonnenschirme spenden Schatten. Ich kaufe Wasser, einen Snack und suche mir meinen Lieblingsplatz für heute.
Ich will Japan auf keinen Fall so schnell wieder verlassen. Ich greife nach Laptop, Notizbuch, Stift. Denn Kreativität braucht Raum und dieser hier ist perfekt für heute.
Die Zeit fliegt nur so dahin. Ohne dass ich es merke ist einiges erledigt und es fühlt sich überhaupt nicht nach Arbeit an. Nach und nach wird der Garten voller, Menschen kommen, suchen sich ihre Lieblingsplätze, gehen wieder. Das amerikanische Paar kommt auch vorbei, wir nicken uns lächelnd zu, sie gehen weiter.
Auch für mich ist es langsam Zeit zum Aufbruch. Laptop, Notizbuch, Stift – alles wandert wieder in den Rucksack und ich spaziere Richtung Ausgang.
Das Bild ist jetzt ein ganz anderes. Viele andere Besucher haben auch ihren Weg in den Japanischen Garten gefunden und genießen die Aussicht. Ich kann sogar ein Brautpaar und ein Pärchenshooting beobachten.
Auch wenn es morgens leerer war, ist es im Garten nicht überfüllt. Eher andächtig schlendern die Besucher über die Wege und sitzen auf den Bänken. Es ist auch mittags schön.
Ich seufze wieder und muss lächeln. In Tokio oder Osaka wäre es jetzt auch nicht leerer.
Ich spaziere zurück zum Eingang, gehe wieder durch das rote Tor und kaufe mir noch ein paar Glückskekse. Kommen die nicht eigentlich aus China? Oder war das eine amerikanische Erfindung? Wen interessiert’s und Souvenirs gehören doch zu jedem Auslandsbesuch dazu, oder?
Du möchtest den Japanischen Garten in Kaiserslautern auch mal besuchen? Dann habe ich hier noch mal die wichtigsten Daten für dich:
Der Park ist zwischen April und Oktober geöffnet. Von Dienstags bis Sonntags kannst du zwischen 10 und 19 Uhr auf den Wegen spazieren und zahlst dafür 5,50€ regulär oder 4,50€ reduziert. Montags hat der Park geschlossen, es sei denn, es handelt sich um einen Feiertag.
Für dich privat kannst du immer fotografieren. Willst du die Aufnahmen kommerziell nutzen, musst du dich mit der Parkleitung absprechen. Möchtest du ein Fotoshooting oder Hochzeitsaufnahmen machen, dann wird eine Gebühr von 35€ fällig.
Das kleine Teehaus am Ende des Gartens kannst du nur im Rahmen einer Teezeremonie besichtigen, die du im Vorfeld buchen musst. Vielleicht bist du noch auf der Suche nach einer außergewöhnlichen Location für deine Hochzeit? Dann bietet sich der japanische Garten ebenfalls an.
In regelmäßigen Abständen finden unterschiedliche Veranstaltungen statt. Wann was wie, kannst du auf der offiziellen Seite des Gartens erfahren.
Warst du auch schon mal in einem japanischen Garten in Deutschland und wie hat es dir gefallen? Erzähl es mir in den Kommentaren.
Sehr schön und einladend geschrieben! Man bekomm richtig Lust dahin zu fahren! Super!
Vielen Dank! Es ist auch einfach super dort. Einfach Buch einpacken, Zeit nehmen und ein paar Stunden was ganz anderes machen.
Liebe Grüße!
Japanische Gärten strahlen wirklich etwas ganz Besonderes aus! Ich war letztes Jahr für zwei Wochen in Japan und da war es noch einmal etwas ganz anderes, weil viel intensiver als hier. Wenn du die gesamte Atmosphäre magst, dann solltest du irgendwann unbedingt mal nach Japan fliegen!
Aber bis dahin scheint der Park in Kaiserslautern eine tolle Alternative, die mehr zu bieten hat als einen Kirschbaum und eine Pagode. 😉
Du hattest auf jeden Fall einen sehr schönen Tag. 🙂
LG
Sarah
Hallo Sarah,
mach mir doch nicht die Sehnsucht noch größer als sie schon ist. Japan steht schon länger auf der Liste und rückt sich immer weiter in den Vordergrund. Ich will wirklich mal so gerne hin. Vielleicht und mit ganz viel Glück schaffe ich es nächstes Jahr endlich, aber das wird sich recht kurzfristig entscheiden. Zur Sicherheit speichere ich mir deinen Rail Trip Japan mal ab 😉
Liebe Grüße
Magdalena
Japanische Gärten finde ich so faszinierend! Gerade im Frühling oder im Herbst, wenn jeweils Kirschblüten oder das Herstblaub blüht. Da merkt man noch mehr, was die Gärtner sich beim anlegen der Gärten gedacht haben… 🙂
Hallo Christine,
ich muss zugeben: Die sind viele Jahre alle an mir vorbeigegangen! Ich habe nicht einsehen wollen, warum ich dafür Eintritt zahlen soll (auch wenn der ja in der Regel nicht hoch ist). Aber angefixt durch meine Freundin, die Stewardess ist und sehr häufig nach Japan fliegt und immer so tolle Bilder mitbringt, musste ich mal doch einen Ausflug wagen. Und ich habe es geliebt!!!!
Viele Grüße
Magdalena