„Als Flugbegleiterin kann man die Welt nicht entdecken. Höchstens die Flughäfen dieser Welt!“
Dieses Urteil hält sich hartnäckig, wenn es um den Beruf der Flugbegleitern – oder Stewardess – geht. Aber ist das wirklich so?
„Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter sind nur Kellner in der Luft und müssen außer dem typischen „Chicken or Pasta?“ nichts für den Beruf können.“
Noch so eine Aussage, die sich großer Beliebtheit erfreut. Wirklich?
Ich habe nachgefragt. Und zwar bei einer jungen Frau, die es wissen muss. Was als Job neben dem Studium anfing, wich einer jahrelangen Passion. Warum das so ist, ob man als Flugbegleiterin die Welt entdecken kann und ob diese Passion jemals nachlässt, erzählt uns heute meine gute Freundin und Weltenbummlerin Rebecca von stopstoppingyourself.
Warum bist du Stewardess geworden?
Zu der Zeit, als ich mir fest vorgenommen habe, diesen Beruf irgendwann einmal auszuüben – das muss etwa 1987 gewesen sein – hat man tatsächlich noch „Stewardess“ gesagt.
Ich wurde damals als Scheidungskind zwischen meinen Eltern hin und her geschickt, die Mauer stand noch und die unkomplizierteste und sicherste Möglichkeit ein Kind von Berlin nach Mainz und wieder zurück zu bringen, war der Rotkäppchen-Service.
Die immer freundlichen, hübschen Stewardessen, die sich so rührend um mich gekümmert haben, habe ich sehr bewundert. Ich hab oft während des Fluges geweint, wenn ich einen Elternteil verlassen musste.
Die Stewardessen haben mir dann von Flügen in fremde Länder erzählt, ich durfte im Cockpit oder bei den „feinen Leuten“ mitfliegen und so viel Cola trinken, wie ich nur wollte.
Mit der Zeit ist mein Berufswunsch dann irgendwie verloren gegangen. Erst zwanzig Jahre später, kurz vor Ende meines Studiums, bin ich wieder auf die Idee gekommen Flugbegleiterin zu werden.
Warum hast du aufgehört?
Damals kamen mehrere Gründe zusammen.
Zum einen hatte ich ein paar Monate zuvor meinen Mann kennengelernt und es fing an mich zu stören, so oft von daheim weg zu sein.
Außerdem hatte ich durch eine verschleppte Erkältung seit längerer Zeit Probleme mit meinen Nebenhöhlen, was dazu führte, dass ich oft krank war.
Vor allem aber hatte ich das Gefühl, „mehr“ aus meinem Leben machen zu müssen. Ich hatte ein abgeschlossenes Studium in der Tasche und war der Überzeugung es wäre wertlos, wenn ich weiter fliegen würde.
In genau dieser Zeit wurden von der Airline Aufhebungsverträge mit Abfindung angeboten und mir fiel gleichzeitig ein Job im Projektmanagement in den Schoß.
Würdest du wieder anfangen?
Jederzeit!
In keinem Job habe ich bisher so viel erleben, so viele interessante Menschen treffen und so viele verschiedene Orte besuchen dürfen.
Gleichzeitig hatte ich noch nie so viel Zeit für mich und meine Freunde. Ich bin wohl einfach nicht für den klassischen „Nine to Five“- Bürojob gemacht.
Seit ich das Fliegerleben hinter mir gelassen habe, ist nicht ein Tag vergangen, an dem ich nicht daran gedacht habe wieder anzufangen.
Ich bin mir ziemlich sicher, eines Tages wieder meine Uniform zu tragen.
Zwei Vorurteile halten sich hartnäckig: Flugbegleiter/innen sind nur Kellner in der Luft und von der Welt sehen sie nur die Flughäfen. Was ist deine Meinung dazu?
Ja, sicher sind Flugbegleiter auch Kellner in der Luft. Aber vor allem anderen sind sie für die Sicherheit aller Menschen an Board zuständig.
Gleichzeitig sind sie Psychologen, Feuerwehr, Sanitäter, Lebensretter, Geburtshelfer, Konfliktlöser, Alleinunterhalter, Dolmetscher, Seelentröster, Bodyguards und noch vieles mehr.
Leider bekommt der Beruf des Flugbegleiters im Allgemeinen nicht die Anerkennung, die er verdient.
Ich wünsche niemandem einen medizinischen Notfall mitten über dem Atlantik oder einen Startabbruch – eine Vollbremsung während des Startvorgangs – in einem vollbesetzten Flieger.
Ein bisschen mehr Anerkennung für den Beruf sollte auch durch Nachdenken zu erreichen sein.
Zum zweiten Vorurteil: Es gibt sogar Destinationen, an denen man noch nicht einmal den Flughafen sieht. Vor allem auf Kurzstecken-Flügen bleibt man zwischen zwei Flügen im Flugzeug und steigt gar nicht erst aus.
So kann es passieren, dass man an einem Tag in drei verschiedenen Ländern war, aber es höchstens geschafft hat, mal kurz an einer offenen Flugzeugtür fremde Luft zu schnuppern. Aber auch auf der Kurzstrecke kommt man irgendwann im Laufe des Tages auch mal im Feierabend an, und der kann dann überall sein.
Grundsätzlich hängt die Verweildauer am Zielort von vielen verschiedenen Faktoren ab, z.B. der Entfernung und damit verbundenen Flugdauer, der Flugfrequenz im Flugplan, gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Ruhezeiten für die Crew, die Sicherheitslage am Zielort, usw.
So hat man in der Regel an der Ostküste der USA mindestens 24 Stunden, an der Westküste mindestens 48 Stunden Aufenthalt vor Ort. Genug Zeit also für einen Besuch im Disneyland, Sightseeing, Shopping auf der 5th Avenue oder einen Strandtag!
Viele Flughäfen zu sehen kann darüber hinaus noch weitere Vorteile haben. So lernt man mit der Zeit, welche Duty Free Läden die beste Auswahl haben, an welchem Flughafen es das beste Sushi gibt, wo sich die Schleichwege befinden und welche Flughäfen ein Highlight zu bieten haben.
Die Flughäfen sehen Flugbegleiter aber genauso wie die Fluggäste nur bei Abflug und Ankunft.
Wieviele Länder durftest du inzwischen kennenlernen und welche waren es?
Selbst wenn ich nur die Länder aufzähle, von denen ich mehr als bloß den Flughafen gesehen habe, ist das eine lange Liste…
Ich war in Kanada, den USA, Mexico, Venezuela, Brasilien, Schweden, Norwegen, Finnland, Großbritannien, Irland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Spanien, Italien, der Schweiz, Österreich, Ungarn, Griechenland,Tschechien, Russland, Kasachstan, Israel, Ägypten, Nigeria, Südafrika, Äquatorialguinea, Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Oman, Kuwait, dem Iran, Indien, China, Japan und Thailand.
Wenn ich mich nicht verzählt oder ein Land vergessen habe, sind es 36.
Oh wow – beträchtliche Anzahl! Welche drei Länder sind dir besonders in Erinnerung geblieben und warum?
Indien, Japan und Saudi Arabien. Alle drei Länder unterscheiden sich kulturell sehr von Deutschland, jedes dabei auf seine Weise.
In Indien erscheint vieles auf den ersten Blick als ein völlig chaotisches Gewusel von Menschen, Gerüchen und Geräuschen. Das Verhalten der Inder wirkt auf uns Deutsche oft sehr befremdlich.
So haben die Inder beispielsweise ein völlig anderes Distanzgefühl als wir: Sie erscheinen uns aufdringlich, wir ihnen dagegen unhöflich distanziert.
Japan ist das komplette Gegenteil zu Indien. Alles ist durch unsichtbare und für uns teils unlogische Gesetze geregelt und es ist fast unmöglich, sich nicht unhöflich zu verhalten.
Zum Beispiel sollte man niemals eine Frage einfach mit „nein“ beantworten, sondern stattdessen Alternativen aufzeigen, wenn das Gewünschte nicht zugegen ist.
In Saudi Arabien gibst Du als Frau beim Betreten des Landes fast alle Rechte ab, die für Dich völlig selbstverständlich sind. Ein sehr beklemmendes Gefühl.
Wie hat dich der Job verändert? Was ist dein größtes Learning?
Ich habe gelernt, mich aus meiner Komfortzone heraus zu bewegen und mich auch auf zunächst befremdliches einzulassen. Sowohl im Kontakt mit Menschen, als auch kulturell oder kulinarisch.
Dazu bin ich wesentlich mutiger geworden und kann mich viel schneller auf neue Situationen einlassen. Im Fliegerleben lässt sich nicht immer alles planen.
Manchmal wacht man morgens auf und weiß nicht, in welchem Teil der Welt man sich abends schlafen legt.
Was bedeutet Reisen für dich?
Für mich bedeutet Reisen Freiheit, Loslassen und Durchatmen. Die Freiheit jeden Ort auf der Welt besuchen und erfahren zu können, Sorgen und negative Gedanken loszulassen und im Moment zu leben und Durchatmen und ich selbst sein zu können.
Welche Länder/Reisen/Abenteuer stehen auf deiner Buketlist und warum?
Ganz oben auf der Liste steht Japan. Auch wenn ich schon dort war, habe ich noch längst nicht genug. Ich möchte tiefer in die Kultur Japans eintauchen, mehr Unterschiede und Gemeinsamkeiten entdecken.
Ein tolles Abenteuer wäre Nordkorea – ich gebe es zu – aus reiner, peinlicher Sensationsgier.
Auch Vietnam und Südkorea möchte ich mal sehen.
Und Chile und Argentinien finde ich wahnsinnig spannend. Und Australien und Neuseeland.
Und, und, und… die Liste ist ganz schön lang!
Kommen wir noch einmal auf den Job Flugbegleiterin zurück: Stell dir vor, jemand sitzt zu Hause und möchte diesen Job selbst als kleines Sprungbrett für etwas mehr Welt nehmen, traut sich aber nicht so richtig, vielleicht ist sogar das Umfeld dagegen. Was würdest du dieser Person raten?
Wer mit dem Gedanken spielt, sich als Flugbegleiter zu bewerben, sollte sich überlegen, wie er mit den Lebensbedingungen zurecht kommt, die der Job nunmal mit sich bringt.
Wer am liebsten jede Nacht im eigenen Bett schläft, nichts außer Pommes und Nutellabrot isst, Angst vor fremden Menschen hat oder unter Flugangst leidet, sollte sich gut überlegen, ob das Flugbegleiterdasein wirklich das Richtige ist.
Alle anderen sollten schleunigst Ihre Bewerbung einreichen – egal was das Umfeld sagt!
Auch ich stehe aktuell vor dem Problem, dass mein Umfeld alles andere als begeistert von meiner Idee ist, wieder als Flugbegleiterin zu arbeiten. Ich höre viele „Das kannst Du doch nicht machen“ -Weils und „Aber das geht doch nicht“ -Wegens, aber das sind die Ängste meines Umfelds, nicht meine!
Ich bin der Meinung, dass jeder genau das Leben leben sollte, das er möchte – denn wir haben kein zweites im Koffer.
Als professionelle Fliegerin: Hast du Tipps für uns, wie wir uns den langen Flug am angenehmsten gestalten können?
Als Gast kann ein Flug manchmal ganz schön langweilig sein. Man ist eingepfercht auf kleinen Sitzen mit vielen fremden Menschen und fühlt sich mitunter recht ausgeliefert.
In dieser Situation ist es wichtig, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und zu versuchen, die Flugstunden so angenehm wie möglich zu gestalten.
Um der trockenen Luft im Flieger entgegen zu wirken, sollte man viel trinken. Vor allem Wasser und Fencheltee (gibt’s auf Nachfrage beim Boardpersonal).
Auch eine gute Feuchtigkeitscreme und ein Lippenpflegestift helfen gegen trockene Haut und gehören ins Handgepäck.
Die Beine bewegen und hin und wieder aufstehen hilft gegen geschwollene Füße und hält den Kreislauf in Schwung.
Gegen die Langeweile helfen Bücher, Filme auf dem iPad oder Handy oder Zeitschriften. Oder ein interessanter Sitznachbar… den kann man sich aber leider nicht immer aussuchen.
Ein persönlicher Tip von mir: haltet Euch immer an die Ansagen des Flugpersonals und die Anschnallzeichen! Auch wenn der Flieger schon steht.
Auch wenn das nicht immer angenehm ist, können die Auswirkungen noch unangenehmer sein und in der Geschichte der Luftfahrt hat es noch nie ein Gast geschafft vor dem Flieger das Gate zu erreichen.
Welche Fragen hast du noch an eine Flugbegleiterin? Wir freuen uns auf deinen Kommentar.
Das war ein sehr guter Beitrag!:)
Jetzt möchte ich noch viel mehr Flugbegleiterin werden!
Nach meinem Abi heißt es erstmal Au Pair in Australien und dann die Welt als Flugbegleiterin zu sehen .?✈️
Das war schon mein Traum als ich ein kleines Kind war 🙂 meine Familie unterstützt mich da voll!
Liebe Vanessa,
es freut mich sehr, dass dir der Beitrag gefallen hat! Ich kann deinen Wunsch, Flugbegleiterin zu werden, auch absolut nachvollziehen. Ich hätte das gerne auch gemacht, aber mit nur 1,58m und dazu noch -6 Dioptrien Sehschwäche war mir das leider nicht möglich. Aber wie du gut erkannt hast: Man kann ja auch so die Welt entdecken – mache ich ja auch gerade. Wenn auch gerade durch das Virus Stillstand herrscht.
Ich wünsche dir für deine bevorstehenden Abenteuer viel Glück und Spaß!