„Magda, your driver is here“, ruft es von der Rezeption. Noch ein schneller Blick in den wasserfesten Beutel: Handtuch, Wasserflasche, Sonnencreme – ich glaube, ich habe alles dabei.
„I’m coming“, rufe ich zurück, während ich die Tür meines Bungalows verschließe. Seit zwei Tagen genieße ich bereits die Ruhe auf Nusa Lembongan, liege am Strand oder schlürfe frischen, eiskalten Eistee. Jetzt wird es Zeit für ein wenig Action.
Ich gehe durch den wunderschönen kleinen Garten meiner Unterkunft und stehe auch schon draußen an der Straße. Verdutzt. Zögerlich.
Vor mir sehe ich meinen Fahrer, der mich zum gebuchten Schnorcheltrip bringen soll. Auf einem Roller. Soweit, so gut. Aber wir sind zu zweit. Damit macht das drei Menschen auf einem Roller. Was hier auf Nusa Lembongan scheinbar als die perfekte Anzahl von Menschen auf Roller gilt, ist bei uns völlig undenkbar. Und für mich im ersten Moment auch.
„Let’s go“, ruft der Fahrer, der sich als Ketut vorstellt, fröhlich und winkt uns heran. Wir wechseln skeptische Blicke. Aber was bleibt uns übrig? Wir nehmen unseren Mut zusammen und klettern auf das kleine Gefährt.
Während in meinem Kopf unablässig „Steige niemals ohne Helm auf einen Roller“ in Dauerschleife abläuft, braust Ketut, völlig sicher und seinen Freunden zuwinkend, die Hauptstraße Lembongans entlang.
Auch ich versuche meinen so lästigen Kopf, der immer anderer Meinung ist als ich, zum Schweigen zu bringen und stattdessen den kühlen Fahrtwind zu genießen – eine willkommene Abwechslung auf der kleinen Schwesterinsel Balis, auf der die Temperaturen in den letzten beiden Tagen eindrucksvoll gezeigt haben, was „tropisch“ eigentlich bedeutet.
Ich lasse meinen Blick schweifen und genieße Lembongans Atmosphäre. Hier ist es viel ruhiger als auf Bali, ein wenig authentischer, die Einheimischen noch einen Tick entspannter, freundlicher, kommunikativer.
An der Straße reihen sich Guesthouses und kleinere Hotelanlagen aneinander, unterbrochen von zahlreichen Fahrrad- und Rollerverleihern und Tauschschulen.
Nach nur wenigen Fahrminuten verlassen wir die Hauptstraße, biegen auf einen engen Weg ein (darf man hier wirklich mit einem Roller entlang fahren und ist das nicht eigentlich viel zu eng?) und sind schon am Strand angekommen.
Ketut lässt uns absteigen und fordert uns auf, ein wenig zu warten, er holt jetzt noch die anderen Gäste.
Wir lassen uns in den warmen Sand fallen, nutzen die Gelegenheit, um unsere Sonnencreme aufzufrischen und schauen der Wellen zu.
Schon nach kurzer Zeit ist Ketut wieder da, lädt zwei weitere Gäste ab und braust wieder los. Ein paar andere Teilnehmer kommen direkt zum Strand und schon bald ist unsere Gruppe vollzählig und die Fahrt kann beginnen.
Ich komme direkt mit Francesco ins Gespräch, der aus Italien kommt und heute statt tauchen lieber ein bisschen Schnorcheln will.
Ob ich schon mal geschnorchelt bin, will er wissen. Sicher, als Kind. Im Italien-Urlaub mit den Eltern.
Ob ich da was gesehen habe, fragt er zweifelnd nach. Wir müssen beide lachen, in der Lagune von Venedig ist das Wasser nicht besonders klar und außer Sand gibt es auch nicht viel zu sehen.
Das Boot hüpft immer steiler auf und ab, der Wellengang ist nicht gerade ruhig. Wir versuchen alle, uns festzuhalten. Francesco lacht noch, er sitzt an der Spitze des Bootes und wird ordentlich durchgerüttelt.
„No puking“, ruft er fröhlich.
Links zieht an uns die Küste Lembongans vorbei, dann Nusa Ceningan, ich sehe die Blue Lagoon aus einer völlig neuen Perspektive. Wunderschön ist es auch von hier und ich kann mich gar nicht satt sehen.
Während die ersten wohl schon überlegen, ob sie nicht zufällig Tabletten gegen Reiseübelkeit eingepackt haben und Francesco mittlerweile blass am Boden sitzt, erreichen wir nach einer halben Stunde unseren ersten Spot: Manta Bay. Gespuckt hat zum Glück tatsächlich niemand.
Die Wahrscheinlichkeit, die bis zu zwei Meter großen Manta Rochen zu sehen, ist hier am größten. Ketut verteilt die Schnorchelsachen und schon sind die ersten im Wasser.
Unser Boot ankert vor Nusa Penidas Küste und der Wellengang ist immer noch recht stark. Ich stehe am Rand des Bootes und blicke skeptisch in das Wasser. Da soll ich jetzt reinspringen? Und wie bekomme ich das eigentlich mit dem Schnorchel und der Brille geregelt? In meinem Magen breitet sich ein flaues Gefühl aus, das kommt sicher nicht von der holprigen Fahrt.
‚Lass‘ den Quatsch und setzt dich wieder hin’, sagt mein Kopf. Natürlich! Der alte Spaßverderber will mich immer von den Dingen abhalten, die am meisten Spaß machen.
‚Heute mal wieder nicht‘ schicke ich nach oben, setze die Taucherbrille auf und springe.
Das Wasser ist ziemlich kühl, kein Vergleich zu den warmen Wellen am Strand.
Ich tauche wieder auf und reiße mir panisch die Taucherbrille vom Kopf. So funktioniert das nicht, denke ich, während ich hektisch mit den Armen rudere, mir das Wasser aus den Augen wische und dabei versuche, nicht unterzugehen.
Ich sehe mich um. Niemandem scheinen die Wellen viel auszumachen, vor mir sehe ich nur Schnorchel aus dem Wasser ragen, alle schweben scheinbar schwerelos auf dem Wasser.
Wenn das alle können, dann kann ich das wohl auch! Ein zweiter Anlauf: Taucherbrille auf, Schnorchel rein, Wasser auspusten und los gehts.
Ein erster Blick unter Wasser zeigt: Nichts.
Nur unendliches Blau. Keine Fische, keine Korallen und schon gar keine Mantas. Während ich mich noch darüber wundere, was die anderen eigentlich sehen und warum meine Atmung so hektisch ist, schwappt mir eine große Welle über den Schnorchel und damit ein großer Schluck Salzwasser in den Mund.
Leicht panisch tauche ich auf, ziehe mir erneut die Taucherbrille vom Kopf und versuche nicht am Husten zu ersticken. Offensichtlich bin ich unfähig. Und blind, denn um mich herum schwimmen weiterhin nur lauter Schnorchel. Was sehen die denn?
Ich gebe mich nicht geschlagen! Immer wieder tauche ich ab, versuche anders zu atmen, ruhiger. Oder mir durch die Taucherbrille die Nase zuzuhalten. Sinnlos, aber doch noch die effektivste Methode. Doch mehr als Salzwasser schlucken und dauernd husten bekomme ich nicht hin. Sehen tue ich auch nichts.
Nach für die anderen viel zu kurzen 30 Minuten und einer gefühlten Ewigkeit für mich, ruft uns Ketut zurück zum Boot. Ich wuchte mich aus dem Wasser und lasse mich erschöpft auf meinen Platz sinken. Na das war ja mal ein toller Erfolg!
‚Hab‘ ich dir ja gesagt’, gibt der Kopf schnippisch von sich und schweigt beleidigt.
Auch Francesco setzt sich wieder auf seinen Platz an der Spitze.
„Did you see any Mantas?“, frage ich ihn. Er schüttelt den Kopf. Wenigstens habe ich die nicht verpasst.
„Did you see anything?“, frage ich erneut. „Sure!“, nickt er und erzählt mir von kleinen blauen Fischen, die in großen Schwärmen unterwegs waren. Prima. Ich bin mein persönlicher Held. Nicht.
Unser Boot gibt wieder Gas und wir schippern in umgekehrter Richtung zurück zum nächsten Tauchspot. Wir stoppen an einer kleinen, wunderschönen Bucht. Wieder stehe ich am Rand und wieder muss ich springen. Doch das Wasser ist hier deutlich ruhiger und die Farbe wunderschön.
Meinen Kopf lasse ich gar nicht erst mosern und schon tauche ich in das türkise Meer.
So, jetzt ganz ruhig. Taucherbrille ausspülen und aufsetzen. Check.
Schnorchel in den Mund, einmal kräftig blasen. Check.
Ruhig durch den Mund atmen, gar nicht erst durch die Nase probieren. Check.
Los gehts.
Ich tauche ab, denke noch einen kurzen Moment darüber nach, nicht wieder hektisch zu keuchen, doch dann herrscht im Kopf ganz plötzlich Ruhe.
Unter mir eröffnet sich das schönste und größte Aquarium, das ich je gesehen habe. Bunte Korallen, grüne Pflanzen, farbenfrohe Fische.
Das Wasser ist ruhig, ich lasse mich treiben und kann meinen Blick nicht vom Boden lösen. Rot, gelb, blau, grün, gestreift, gepunktet, groß und flach, klein und dick, schmal und lang. So viele wunderschöne Fische habe ich noch nie gesehen – und ganz sicher nicht als Kind in Italien.
Ich tauche kurz auf, suche mit meinen Augen die anderen. Und auch hier bietet sich das gleiche Bild: Nur Schnorchel so weit das Auge reicht.
Ich tauche wieder ab in die bunte Welt unter mir. Mich umgibt nur das leise Plätschern des Wassers und meine – endlich – regelmäßige Atmung. Ich weiß nicht, wo ich zuerst hinsehen soll, so wunderschön ist diese Wasserwelt begibt unter mir. Meine Arme und Beine bewegen sich fast gar nicht, ich lasse mich nur treiben und genieße.
Die Weite ist beeindruckend, ich kann nicht einschätzen, wie viele Meter es unter mir in die Tiefe geht. Das sind die Momente der „Höhe“, die ich genießen kann.
Viel zu schnell sind unsere 30 Minuten um und unser Boot begibt sich auf seine 30-minütige Rückfahrt.
Ich sehe Francesco strahlend an und er lacht.
Ich würde wohl nicht tauchen, fragt er. Denn ja, die kleine Bucht war wirklich schön, aber eigentlich kein Vergleich zu den vielen genialen Tauchspots in der Umgebung. Ich solle doch einfach einen Tauchkurs machen, denn schon nach wenigen Tagen könnte ich das auch sehen.
Während er noch weiter von seinen Tauchabenteuern erzählt, lehne ich mich zurück, lasse mich von Fahrtwind und Sonne trocknen und lausche meinen Kopf:
„Du hattest Recht. Mal wieder“, gibt er kleinlaut zu. „Das war doch ziemlich schön. Wir haben zwar keine Mantas gesehen und der Start war auch mehr holprig als elegant, aber die Bucht war wunderschön. Vielleicht können wir das nochmal machen? Und nein, komm ja nicht auf die Idee mit dem Tauchen. Das lassen wir sein. Das ist viel zu gefährlich…“
Und während mein Kopf schon wieder weiter jammert, genieße ich die Aussicht der Rückfahrt. Und lächele. Na, das werden wir ja noch sehen…
Wie war deine erste Schnorchelerfahrung? Verrate es mir in den Kommentaren.
Sehr schöne Aufnahmen und eine fantastische Lokation.
Da würde ich am liebsten auch direkt Urlaub machen und die Drohne auspacken. Aber auch die Unterwasserwelt ist faszinierend. An einen Tauchkurs habe ich auch schon gedacht, aber leider bisher noch nicht umgesetzt.
LG Andy
Hallo Andy,
lieben Dank für deinen Kommentar. Und ich bin mir sicher: Aufnahmen mit einer Drohne dort wären absolut genial geworden! Leider bin ich da noch ziemlich unausgestattet – weder Drohne noch Actioncam 🙂 Ich sollte also dringend auf deiner Seite vorbeischauen.
Als wir dort den halben Tag auf dem Boot verbracht haben, war ich auch noch überzeugt, demnächst einen zu machen. Jetzt – mit ein bisschen Abstand – ist das Kopfkino wieder voll in Aktion ;D Aber mal sehen, was nicht ist, kann ja noch werden!