11 Uhr. Die Sonne knallt. Wie eigentlich immer in Laos. Ich bin nun schon seit einigen Monaten in Südostasien unterwegs, aber die Hitze in Laos toppt alles. Sogar Vietnams Höllentemperaturen im Juli.
Ich nehme einen Schluck aus meiner Wasserflasche und blicke skeptisch vor mich. Ich sitze auf dem Parkplatz vom Nam Xay Viewpoint. Soll schön sein da oben. Der Weg auch gar nicht mal so lang. Nur 30 Minuten.
Ich lege den Kopf in den Nacken und blinzele träge nach oben. 30 Minuten – die gehen aber steil bergauf.
Ich schaue wieder vor mich. Nur wenige Meter trennen mich vom „Eingang“. Na ja, wenigstens ist es da schattig, denn der schmale Pfad, der mich nach oben bringen soll, schlängelt sich durch große Bäume und dichte Büsche.
Aber ich hasse bergauf. Vor allem, seit in Asien scheinbar jeder meiner Ausflüge damit endet, dass ich auf Berge klettere. Mit Flipflops. Selten hatte ich bisher die richtigen Schuhe an. Ein Hoch auf meine bescheidene Vorbereitung! Heute habe ich wenigstens an meine Turnschuhe gedacht.
Ich nehme noch einen Schluck. Hilft nichts – ich will ja den Ausblick sehen. Ich schnappe mir meinen Rucksack und mache mich auf den Weg.
45 Minuten später.
Es ist still. Sehr still. Ich höre nichts. Keinen Vogel, keine Stimmen, keine Mopeds. Ich halte die Augen geschlossen und spüre, wir mir der Schweiß am Rücken herunterläuft, wie meine Haare im Nacken kleben. Diese Hitze.
Ich spüre keinen Windhauch, keine Erlösung in Reichweite.
Doch eigentlich macht das nichts.
Ich öffne wieder meine Augen und muss grinsen. Der Ausblick ist fantastisch!
Vor mir liegen saftig grüne Reisfelder, soweit ich sehen kann. Weiter weg erheben sich Felsen und Berge, blassgrau, aber gut zu sehen.
Braune Schotterwege teilen die Reisfelder in geometrische Formen. Mal sind die Rechtecke größer, mal kleiner und mal gar nicht rechteckig.
Ich sehe einen Fluss, von Büschen umzingelt. Ich sehe Häuser, ein kleines Dorf und noch mehr Reisfelder. Ich sehe das alles vor mir, aber mein Hirn kann diese Pracht nur schwer begreifen.
Ich drehe mich um, gehe langsam über die schmalen Holzplanken zur anderen Seite. Ich habe Höhenangst. Auf dieser schmalen Bergspitze und auf diesen schmalen Wegen, notdürftig zusammen gehämmert, fühle ich mich nicht wirklich wohl.
Aber davon lasse ich mich heute nicht bremsen. Vorsichtig lehne ich mich an die niedrige Brüstung, die ihre stabilen Tage schon hinter sich hat. Oder nie hatte! Aber meine Ängste sind schnell vergessen, denn auch in diese Richtung ist der Ausblick phänomenal.
Das Grün der Reisplantagen und Wälder ist noch strahlender. In der Mitte erhebt sich ein Felsen, zu einem großen Teil von Büschen bewachsen. Nur die Spitze ragt grau hervor.
Rechts und links davon erheben sich weitere Berge, alle dicht bewaldet. Ob sich da noch mehr Viewpoints verbergen?
Ich schaue vor mich, denn das eigentliche Ziel liegt noch einige Meter weiter.
Ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken. Wie haben sie das wohl gemacht?
Der Weg hierher war alles andere als leicht. Kurz, das stimmt. Aber er hatte es sich. Nach nur wenigen Metern wurde aus dem Pfad ein steiler Aufstieg. Kurz vor der Spitze hört der Pfad auf. Ich musste über Felsen steigen, mich an ihnen hochziehen und ausbalancieren. Definitiv nichts für schwache Nerven. Und der bisher krasseste Aufstieg für mich.
Aber was ich jetzt vor mir sehe – das muss ja jemand nach oben gebracht haben. Aber wie?
Ich blicke auf ein Motorrad.
Ich habe keine Ahnung, welche Marke oder welches Baujahr. Das ist nicht relevant. Aber da steht es. Auf diesem Felsen, auf dieser Spitze. Es sieht grandios aus.
Wieder muss ich grinsen. Die Idee ist super. Laos kämpft um jeden Touristen, denn dieses Land scheint weiterhin ein Geheimtipp zu sein. Klar, es hat kein Meer, keine Traumstrände.
Aber es hat so viel mehr. Und: es hat ein Motorrad. Auf der Spitze eines Viewpoints.
Ich lasse mich langsam auf die Holzplatten unter mir sinken, schwinge meine Beine nach unten und suche Halt auf den Felsen und Steinen. Langsam, wirklich nur ganz langsam, lasse ich das Geländer los und taste mich Meter für Meter nach vorne.
Ich habe echt Bammel, habe Angst, dass mich der nächste Windhauch umwirft. Fast muss ich bei dem Gedanken laut auflachen. Ist ja gar kein Wind da.
Die wenigen Schritte, die ich bis zum Moped schaffen muss, ziehen sich wie eine Marathonstrecke, aber endlich bin ich da. Setze mich hin, halte mich am Lenker fest und genieße.
Nicht nur meinen Triumph, dass ich es bis hierhin geschafft habe. Sondern vor allem meine Umgebung. Die Aussicht. Die Ruhe. Denn ja, außer mir ist niemand hier.
Auch das liebe ich an Laos. So oft habe ich Ausblicke wie diesen einfach für mich. So war es also auch in Thailand oder in Vietnam, bevor der Massentourismus zugeschlagen hat. Hier finde ich das noch. Und bin unendlich dankbar dafür.