Mühsam öffne ich meine Augen. Draußen herrscht noch völlige Dunkelheit. Auch im Wohnmobil ist kaum etwas zu erkennen. Und kalt ist es auch noch. Kurz erwäge ich, mir einfach wieder die Bettdecke über den Kopf zu ziehen und weiter zu schlafen. Aber hey, dafür bin ich nicht  bis ans andere Ende der Welt geflogen und habe zwei Wochen in einem Camper verbracht – mit nur gelegentlichem Duschen und noch drei weiteren Personen.

Ich krieche aus meinem Schlafsack und versuche in der Dunkelheit meine Klamotten zu finden, ohne die anderen dabei zu wecken. Wo sind denn Schal und Mütze? So langsam wird die Dunkelheit etwas heller.

Ich stolpere aus dem Camper und muss mich erst mal durchstrecken, richtig wach bin ich so früh noch nicht. Ich lasse meinen Blick über den komplett leeren Parkplatz schweifen und muss grinsen: Gute Entscheidung, diesen gestern Abend einfach mal nicht zu verlassen.

Mitchell Mesa – USA

Am Horizont wird es zunehmend heller, die ersten Besucher bauen auf der Terrasse des Visitor Centers bereits ihre Kameras auf, so langsam muss ich in die Gänge kommen. Ich wende mich von den Besuchern ab und laufe am Hotel „The View“ vorbei in Richtung der langen Klippe Mitchell Mesa.

Schon nach wenigen Schritten wechselt der geteerte Parkplatz zu rötlichem Sand und meine Füße sinken bei jedem Schritt leicht ein. Ich wickele den Schal enger um meinen Hals, ein kalter Wind weht mir entgegen. Ich blicke in die Weite des Tals. Sogar ganz ohne Sonnenaufgang bin ich sofort von dieser Weite und Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt, in den Bann gezogen.

Der rote Sanddüne ist unterbrochen mit niedrigen Büschen und immer häufiger auch mit größer werdenden Steinhaufen. Ich laufe Slalom, das Vorankommen dauert länger. Dabei ist die Sonne schon fast da!

Monument Valley – USA

Ich beschleunige meine Schritte, das treibt auch meine Körpertemperatur nach oben. Die letzten Anzeichen der Müdigkeit sind verschwunden, ich habe nur noch ein Ziel: Einen guten Aussichtspunkt finden. Nach etwa 10 Minuten auf dem Weg, der kein wirklicher ist, finde ich ihn schließlich: Ein flacher Felsen, der sich hervorragend eignet.

Ich setze mich, ziehe meine Beine zu einem Schneidersitz ein und hole tief Luft. Meine Hände liegen entspannt auf meinen Knien, mein Rücken ist gerade. Um mich herum ist es menschenleer und still. Fast hätte ich das wichtigste vergessen: Der MP3-Player! Schnell die Kopfhörer aufgesetzt und das Lieblingslied gestartet. Dann schließe ich die Augen und warte.

Die Temperatur steigt. Langsam wird das Licht hinter meinen geschlossenen Lidern immer heller. Ich nehme einen tiefen Atemzug. Die Wärme legt sich angenehm auf mein Gesicht, ich kann den Augenblick kaum erwarten. Ein weiterer Atemzug. Die Brise, die mir entgegen weht, ist wärmer. „Nur noch einen kurzen Augenblick“, mahne ich mich und drücke die Augen fest zusammen. Noch einmal tief einatmen und dann kann ich die Spannung nicht mehr ertragen.

Ich öffne die Augen.

Monument Valley – USA

Das Schauspiel aus Tal, Felsen, Weite, Sonne und Wolken raubt mir den Atem. Eine tiefe Ruhe erfasst mich. Ich lasse meinen Blick über die bekannten drei Felsen schweifen, Überbleibsel der Sandsteinschichten, die früher die ganze Region bedeckten. Sie sind so weit weg und erscheinen doch so nah. Die Sonne am Horizont wird immer größer. Das Rot der kargen und doch so beeindruckenden Landschaft wird immer kräftiger. Ich schaue nach rechts, riesig hebt sich Mitchell Mesa in den wolkenlosen Himmel. Der Weg dahin scheint greifbar nah. Ich blicke wieder geradeaus, die Sonne ist jetzt vollständig zu sehen. Die karge Röte des Tals wird immer wieder von trockenem Gebüsch unterbrochen, die Grüntöne unterschiedlich intensiv. Ich sehe die Schotterstraße des Valley Drives, die sich tief durch den Park schlängelt und auf der sich schon vereinzelt Autos mit den ersten Besuchern befinden. Ich hole wieder tief Luft und lächele. Eigentlich wollte ich hier meditieren, aber die Augen zu schließen vor dieser Landschaft, das ist unmöglich.

Monument Valley – USA

Monument Valley – eine für die Navajo Nation heilige Stätte. Ohne religiös zu sein, nehme ich diese spezielle Stimmung ebenfalls wahr. Ehrfurcht ergreift mich beim Anblick der daumenähnlichen Türme vor mir. Ob es an der Uhrzeit liegt, an den immer wärmer werdenden Sonnenstrahlen, an der Tatsache, dass ich hier völlig alleine sitze oder an der Weite dieses beeindruckenden Ortes, das weiß ich nicht. Ich stehe auf und klopfe mir den roten Sand von der Hose. Bei einer Sache bin ich mir ganz sicher: Dieser Ort hat was magisches. Ich komme wieder!

Was hat dir am Monument Valley am besten gefallen? Ich freue mich auf deinen Kommentar.

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4 thoughts

  1. Wow, ich muss wirklich öfter wiederkommen. Toller Beitrag. Da bekommt man doch direkt Fernweh, schon allein wegen der Bilder. Diese Weiten sind einfach faszinieren.

    Liebe Grüße,
    Nika

    1. Vielen Dank! 😀

      Ja, ist nicht ohne Grund mein Happy Place und der zweite Beitrag zum Monument Valley. Immer und jederzeit eine Reise wert – vor allem wenn man am Parkplatz übernachtet 😉

      Viele Grüße
      Magdalena

  2. Hi Magdalena,
    ein toller Beitrag mit super schönen Bildern. Ich finde deinen Schreibstil einfach wunderschön. Wenn man deinen Text liest fühlt man sich ganz nah bei dir, als würde man den Sonnenuntergang gemeinsam mit dir erleben. Du hast mich mit deinem Beitrag von meinem Büro ins Monument Valley entführt – Danke!

    Liebe Grüße,
    Nicole

    1. Hallo liebe Nicole,
      vielen vielen Dank für das tolle Kompliment zum Schreibstil. Die Art von Beiträgen schreibe ich am liebsten, aber überall schreit es einen ja an, dass man Mehrwert liefern soll und dann zweifle ich oft, ob das „Gefühl“ genug Mehrwert ist. Dein Kommentar bestätigt mir das aber.

      Liebe Grüße
      Magdalena

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