Ich hole meinen letzten Dollar aus der Tasche und blicke zu der unrealistisch hohen Zahl hoch, die sich unermüdlich über meinem Spielautomaten dreht und den möglichen Gewinn anzeigt.
‚Dieser wird jetzt mein Glücksbringer‘, denke ich, während ich die Dollarnote in den Schlitz für das Geld stecke. Mit Bedacht ziehe ich am Hebel, die Nummern drehen sich unglaublich schnell. Und bleiben stehen. Unterschiedliche Zahlen, kein Gewinn, mein Dollar ist weg.
Ich greife in meinen Geldbeutel, aber der ist leer. Panik kommt auf, wie soll ich bloß das Hotelzimmer bezahlen? Ich blicke mich mit schreckgeweiteten Augen um und sehe den Security-Chef auf mich zukommen. Was jetzt?
Erschrocken fahre ich in meinem Sitz auf. Es war nur ein Traum! Ich sitze noch im Flugzeug, um mich herum herrscht die typisch aufgeregte Stimmung kurz vor der Landung. Ich lehne mich noch einmal zurück und atme durch. Alles gut gegangen.
Nur wenige Minuten danach setzt das Flugzeug sanft auf, rollt noch etwas weiter und nicht viel später öffnen sich die schweren Flugzeugtüren. Ich lasse mich treiben im Strom der Menschen um mich herum.
Neben mir läuft ein junger Mann mit Kappe, vielleicht auf dem Weg zu seinem ersten Pokerturnier. Etwas weiter vorne das junge Paar, beide dicht beieinander. Die werden hier vielleicht heiraten. Daneben die kleine Gruppe Rentner, die kommen vielleicht öfter her. Und es empfangen uns die ersten Spielautomaten, denn wie könnte es anders sein. Welcome to fabulous Las Vegas.
Die Gepäckausgabe geht recht flott und schon bald sitze ich im Taxi. Was erwartet mich?
Erstes Mal Las Vegas – die Erwartungen sind groß. Und doch hinterlässt der Traum einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge. Ist Las Vegas vielleicht nur eine überdimensionale Spielhalle?
Ich öffne das Fenster einen Spalt breit und atme die heiße Wüstenluft ein. Die Sonne geht gerade unter, ihr Licht spiegelt sich in der Ferne in den tausend kleinen Fenstern der vielen Hotels am Strip. Und doch glüht die Stadt schon, hell erleuchtet durch die unzähligen Lampen. Hier herrscht nie dunkle Nacht, hier siehst du keine Sterne, ist der Himmel noch so klar.
Mein Taxi fährt nicht über den Strip, wir nehmen die Autobahn und dann direkt den Frank Sinatra Drive, damit sind wir schneller, behauptet mein Fahrer. So wirklich eilig habe ich es nicht. Denn vielleicht ist Vegas gar nicht so, wie ich es mir die vielen Jahre vorgestellt habe?
Vielleicht ist es tatsächlich nur laut und voll und zu bunt. Vielleicht erschreckt mich die Stadt mit ihrer Schlaflosigkeit und lässt mich müde zurück.
Mein Taxi wechselt die Spur, wir halten uns nun rechst, der Blinker ist schon gesetzt.
Weit kann es nicht mehr sein. Ich habe schon das Luxor von hinten gesehen, der Strahl aus der Pyramide erleuchtet den Himmel darüber.
Ich habe die Hochhäuser des New York, New York gesehen und vielleicht war das die Achterbahn, auf dich ich einen Blick geworfen habe? Vor mit glitzert das große Schild des ARIA, schade dass ich dort nich wohnen kann.
Wir fahren ab und ich komme in dem Gewusel der Autos gar nicht richtig mit. Wir wechseln die Straßenseite, überholen langsamere Wagen, fahren durch eine kleine Unterführung und schon breitet sich vor mir der bekannte Strip aus.
Viel Zeit zum Staunen bleibt mir nicht, mein Taxi fährt nach rechts, dann gleich wieder links und schon stehen wir vor meiner bescheidenen Behausung, dem Travellodge Center Strip.
Ich steige langsam aus dem Wagen, während der Fahrer schwungvoll meinen Rucksack aus dem Kofferraum hievt. Ich bekomme kaum mit, welche Summer er mir nennt, ich reiche ihm benommen das Geld.
Schließlich braust er davon und ich bleibe stehen. Alleine. Und doch nicht allein. Auf dem Strip. Wie betäubt halte ich mich an meinem Rucksack fest und sehe mich um.
Unzählige Menschen laufen an mir vorbei, mal zu zweit, mal alleine und mal in größeren Gruppen. Alle sind fröhlich und lachend und voller Vorfreude auf die kommende Nacht.
Schräg gegenüber erstrahlt das Cosmopolitan gegen einen nun fast dunklen Himmel und etwas weiter erkenne ich das Bellagio.
Ich wende mich langsam nach links. Ich sehe das Schild des Monte Carlo und dahinter erheben sich wieder die Häuser des New York, New York, die Wagen der Achterbahn rauschen über die Schienen.
Ich bin umgeben von Glitzer und Gefunkel. Die vielen tausend Lichter der Hotels, in unzähligen bunten Lampen, blinkend. Die beleuchteten Zimmerfenster, hinter denen sich die Nachtschwärmer noch ausruhen oder schnell vorbereiten für die kommende Nacht in Vegas. Die Autos mit ihren Scheinwerfern und hellen Reklametafeln auf den Dächern, die gemächlich über den breiten Strip fahren und deren Fahrer nach neuen Kunden Ausschau halten.
Das alles ist so hell im Gegensatz zum nachtblauen Himmel, der sich über mir spannt und eine dunkle Kuppe bildet, die Stadt scheinbar vom Rest der Welt abschneidet.
Ich kann mich nicht satt sehen und weiß doch nicht, wohin ich mich als nächstes wenden soll.
Bin ich wirklich hier? Oder ist das doch noch der Traum? Kopfschüttelnd greife ich nach den Trägern meines Rucksacks und will ihn schwungvoll aufsetzen. Ich merke den Widerstand sofort, es folgt ein erschrockenes Schnauben. Ich drehe mich um und rufe schnell: „Excuse me!“, doch der Mann, den ich erwischt habe, grinst nur und winkt ab.
Das ist mein Weckruf. Ich wache auf, spüre die heiße Wüstenluft an meiner Haut, merke das leise Kribbeln der Vorfreude aufsteigen. Und muss grinsen.
Ich bin hier, wirklich da. Um mich herum pulsiert so offensichtlich die Stadt, die niemals schläft. Sin City, die du vielleicht liebst, die du vielleicht nicht magst, die aber bestimmt einen Eindruck hinterlässt. Und sie ist laut und voll und auch irgendwie zu bunt. Aber das alles ist jetzt genau richtig!
Las Vegas – ich werde dich anschauen, dich kennenlernen, mit dir feiern und müde zurück bleiben, aber ich werde dich genießen. Du ziehst mich jetzt schon in deinen Bann und ein Loskommen wird schwierig. Aber ich freue mich auf dich!
Wie findest du Las Vegas? Verrate es mir in den Kommentaren.