Der Wecker klingelt. Ich will nicht aufstehen! In meinem Zimmer ist es noch dunkel. Ich drehe mich noch einmal um, ignoriere das Gebimmel neben meinem Ohr. Aber es hört nicht auf, es wird immer lästiger, es scheint mich anzuschreien: „Steh jetzt auf! Du wolltest es doch so.“

Recht hat er, dieser miese Wecker. Aber trotzdem! Blind suche ich nach meinen Handy, schalte den nervigen Ton aus, drehe mich auf den Rücken. Ich schaue auf in die Dunkelheit über mir und schließe einen Deal mit mir selbst: Ich stehe jetzt auf und lege mich nachher wieder hin.

Müde suchen meine Füße die kühlen Bodenfliesen und ich wanke ins Bad. Kurz die Zähne geputzt, etwas Wasser ins Gesicht gespritzt und es kann los gehen.

Ich öffne die Tür von meinem kleinen Bungalow in Mũi Né und trete auf die Veranda. Die Luft ist wunderbar frisch um diese frühe Uhrzeit. Kein Vergleich zu den tropischen Temperaturen, sobald die Sonne aufgestiegen ist. So langsam wird es um mich herum heller. Ich sollte mich beeilen.

Sonnenaufgang in Mui Ne

Nun schon wacher steige ich die drei kleinen Verandatreppen hinunter und überquere den Garten. In nur wenigen Schritten bin ich an der Hauptstraße. Auch tagsüber hält sich der Verkehr in Grenzen – zumindest wenn ich bedenke, dass ich in Vietnam bin – aber jetzt ist die Straße vollkommen menschen- und autoleer. Gut so. Auch das ist im sonst ziemlich vollen Vietnam eine neue Erfahrung.

Ich wechsele die Straßenseite und halte mich nach links. In nur wenigen Metern ist auch schon der kleine Durchgang, der mich zum Strand bringt. Wie habe ich mich gewundert an meinem ersten Tag. Hier reiht sich ein Hotel ans andere. Auch wenn die Gebäude nicht besonders hoch sind und ganz hübsch und mit viel Garten und grün gebaut sind, ist es fast unmöglich, einen Zugang zum Strand zu finden.

Aber es gibt sie doch, die kleine Gasse aus Sand, nicht besonders hübsch und sehr vermüllt – aber immerhin da. Auch jetzt laufe ich hier entlang und bin traurig bei dem Anblick der vielen Plastikflaschen, Eisverpackungen und Co, die rechts und links meinen Weg säumen. Warum gehen die Menschen – Einheimische wie Touristen – so sorglos damit um?

Aber meine Gedanken werden gleich wieder abgelenkt, denn schon kann ich das Meeresrauschen hören. Die Schuhe habe ich gleich in meinem Zimmer gelassen, die wenigen Meter kann ich gut auch barfuß laufen. Ich spüre den feinen Sand zwischen meinen Zehen, noch kühl und feucht von der Nacht.

Blaue Fischerboote am Strand

Ich laufe weiter und bleibe vor den blauen, runden Fischerbooten stehen. Spannend zu beobachten, wie die Fischer mit den kleinen Kojen tagsüber den Wellen trotzen und so weit raus paddeln, bis sie nicht mehr von Schwimmern und Kite-Surfern gestört werden.

Jetzt stehen die kleinen Bötchen verlassen vor mir, fast als würden sie mir zuflüstern: „Schau, wie hübsch wir sind. Und wie toll wir uns vor dem Sonnenaufgang machen. Deswegen bist du doch hier, oder?“

Ja, deshalb habe ich den fiesen Wecker gestellt und mich eben beim Aufwachen noch geärgert. Aber die ersten Sonnenstrahlen berühren mein Gesicht, die Boote erstrahlen immer blauer und ich muss zugeben: Das hat sich natürlich und wie immer gelohnt!

Ich zücke meine Kamera und halte die Kulisse fest, banne sie auf den kleinen Speicher. Doch ich werde dieses Bild nicht brauchen, in meiner Erinnerung ist es fest verankert.

Strand am Morgen

Ich gehe ein paar Schritt weiter und stehe in einem der kleinen Flüsse, die das Meer über Nacht in den Sand gegraben hat. Das Wasser ist warm und ich spüre, wie sich das Meer wieder zurück zieht und den Strand dem Tag überlässt.

Weit und breit ist niemand zu sehen. Wie komisch, ist der Strand doch tagsüber gut besucht. Die vielen Kite-Surfer und die, die es noch werden wollen und üben müssen. Die Beobachter, die im warmen Sand sitzen und den Wellenreitern bei ihren Versuchen zusehen. Die Schwimmer, die sich trotz Wellengang in die Fluten trauen und dabei so viel Spaß haben, dass sie das Wasser gar nicht mehr verlassen wollen.

 

Von denen ist so früh noch nichts zu sehen, ich habe den Strand für mich alleine. Muss ihn nur mit den Booten teilen. Und der Kokosnuss, die an den Strand gespült wurde. Auch sie scheint mir zuzurufen: „Genießt du das genauso wie ich? Die Ruhe vor dem Sturm, die besondere Stimmung, die die Sonne hier so früh morgens schafft?“

Teilst du dir mit mir den Strand?

Ich schaue wieder nach vorne, wo sich die Sonne ihren Weg nach oben bahnt und uns in ihr rötliches Licht taucht. Ich glaube sie zwinkert mir zu: „Schön, dass du auch da bist und wir diesen Moment für uns haben. Schon bald scheine ich für euch alle, aber gerade jetzt sehe ich nur die Boote, die Kokosnuss und dich. Danke, dass du mich begrüßt. Heute werde ich wieder alles geben!“

Ich muss lächeln. Und bin unendlich dankbar für diese kleine, private Flucht, die ich mir geschaffen habe. Diesen Moment der Stille, in dem mir wieder bewusst wird, dass ich tatsächlich am Strand in Vietnam stehe und den Tag begrüße, auf den noch viele weitere folgen werden. Dass ich das Abenteuer gewagt, mich nicht von den Meinungen anderer von meinen Plänen habe abbringen lassen und diesen Augenblick jetzt erleben kann.

Soll ich jetzt eigentlich wieder ins Bett? Habe die Sonne ja schließlich ausgiebig begrüßt. Ich muss grinsen. Ich glaube nicht, denn ich bin hellwach. Wie wäre es jetzt mit einer Runde schwimmen?

Guten Morgen Mui Ne

Welche kleinen Ruhepole schaffst du dir auf deinen Reisen? Ich freue mich auf deine Geschichte.

 

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